Was tun gegen Rassismus und Diskriminierung im Arbeitsalltag?

Roger Sennhauser, Mitglied der Integrationskommission (InKo), fasst in diesem Artikel eine Veranstaltung der InKo zusammen.

So lautete das Thema der am 20.04.2023 von der Integrationskommission der SP des Kt. Zürich organisierten Veranstaltung in der Alten Kaserne in Winterthur. Die Kooperative Flexifeen, Adele Villiger und Ximena Amador, die Leiterin der Fachstelle Diversity der Stadt Winterthur, Nese Çetinkaya und die Gewerkschaft UNIA mit Hilmi Gashi (u.a. auch Mitglied der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus) bereicherten das Podium mit ihren Ideen und Erfahrungen. Ein kleines, aber sehr interessiertes Publikum diskutierte mit und brachte seine Erfahrungen und Erlebnisse ein. Es ging auch darum, konkrete Ansätze, Massnahmen und Vorgehensweisen vorzustellen und zu diskutieren, die bereits in der Praxis umgesetzt werden und Potential haben, um Rassismus und Diskriminierung im Arbeitsalltag weiter zu verringern.

 

Die Integrationskommission organisiert immer wieder Veranstaltungen, um politische Denkanstösse im Kampf gegen alltägliche Diskriminierung und Rassismus zu setzen und Migration grundsätzlich vor allem als Chance für unsere gesellschaftliche Entwicklung und für unser Zusammenleben zu denken. Daraus resultieren nicht immer konkrete politische Vorstösse, aber viele Anregungen zum Weiterdenken und das Thema „Integration“ als Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen aufzugreifen.

 

Die Frauen der Kooperative Flexifeen aus Basel beeindruckten uns mit ihren ganz konkreten Schilderungen und Erlebnissen von Diskriminierung, sei es aus sprachlichen Gründen, wegen ihres Aussehens oder ihres Geschlechts. Ihren Mut nicht aufzugeben und ihre Existenz unabhängig von staatlicher Hilfe zu sichern, blieb und nachhaltig haften. Ebenfalls wurde aber deutlich, dass die meisten Frauen der Flexiblen ihre im Herkunftsland erworbenen Kompetenzen oft nicht genügend einsetzen können und ihre Kooperative als Start-Up Unternehmen ein Stück weit auch aus der Not geboren wurde. Hilfreich war dabei auch ein Talent und Startup-Inkubator für Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund (Capacity) Die Flexifeen sind mit ihrer aktuellen Situation und Auslastung im Reinigungsbereich sehr zufrieden. Von Nutzen war dabei auch ein Beitrag im SRF (10vor10), der viel Werbung war und Reinigungsanfragen einbrachte. Generell wurde gesagt, dass der informelle Bereich (Vernetzung, Vitamin-B) neben den formellen Angeboten des schweizerischen Systems wie Sprachkurse für die Integration und den Kampf gegen Diskriminierung von grosser Bedeutung sei.

 

Nese Çetinkaya von der Fachstelle Diversion Management der Stadt Winterthur zeigte sich beeindruckt vom Kampf der Flexifeen gegen ihre persönliche und gesellschaftliche Diskriminierung und äusserte, dass es im Arbeitsalltag bei Bewerbungen oder speziell auch in der Pflege nach wie vor öfters Diskriminierung aufgrund von Namen, Hautfarbe etc. gebe, ihre Mittel jedoch als einzige Fachverantwortliche in der Stadtverwaltung leider auch sehr eingeschränkt seien. Von ihrer Fachstelle werde aber jedes Jahr eine Aktionswoche gegen Rassismus und Diskriminierung organisiert.

 

Hilmi Gashi ergänzte aus gewerkschaftlicher Sicht, dass zwar in den Gesamtarbeitsverträgen Rassismus und Diskriminierung verboten sei, aber es oft an fehlenden Kontroll-, Sanktions- und Umsetzungsmöglichkeiten fehle. So gebe es leider auch kein Verbandsklagerecht in Fällen von Rassismus und Diskriminierung. Konkrete Fälle müssten so immer individuell angezeigt und vor Gericht gebracht werden, was mit viel Zeit und Kosten verbunden sei.

 

Folgendes Fazit kann aus der Veranstaltung gezogen werden:

 

  • Auch wir Linken müssen uns unseren eigenen blinden Flecken, wenn es um Rassismus und Diskriminierung im Arbeitsalltag geht, stellen. Es besteht Konsens darin, dass Rassismus und Diskriminierung im Arbeitsalltag ein sehr präsentes Thema ist und für uns alle eine grosse Herausforderung darstellt. Es geht dabei vor allem um Selbstreflexion der eigenen „blinden“ Flecken und um das Sensibilisieren für und Ansprechen von beobachteter Diskriminierung gegenüber Kollegen und Kolleginnen wie auch gegenüber Vorgesetzte.
  • Ebenfalls genannt wurde, ähnlich wie Nothelfer- oder Sicherheitskurse, regelmässige obligatorische Kurse zu Rassismus und Diskriminierung in grösseren Betrieben einzuführen, damit das Bewusstsein für das Thema gefördert wird und der Kampf gegen Diskriminierung aktiver gestaltet werden kann.
  • Besonders deutlich wurde auch, dass wir die von Migranten und Migrantinnen im Herkunftsland erworbenen Fähigkeiten (z.B. Bildungsabschlüsse) viel zu wenig als Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt nutzen und da noch viel Potential wäre – gerade auch im Hinblick auf den aktuell immer wieder konstatierten Fachkräftemangel.

Für die spannende und lebendige Diskussion bedanken wir uns bei den Podiumsteilnehmenden wie beim interessiert diskutierendem Publikum.